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Heizkostenabrechnung in Gebäuden mit hohem Rohrwärmeanteil
Verbesserte Verteilung durch Anwendung des Korrekturverfahrens nach VDI 2077 Blatt 3.5
Kurz und knapp
Bei Heizanlagen mit hoher Wärmeabgabe durch Verteilrohre ist oftmals eine so hohe Grunderwärmung der Wohnungen gegeben, dass viele Nutzer ihre Heizkörper überhaupt nicht mehr oder nur selten aufdrehen müssen. Das ist messtechnisch nicht lösbar, es gibt aber andere Methoden der Entschärfung des Problems.
In der Regel funktioniert die verbrauchsabhängige Heizkostenabrechnung unabhängig von der Methode der Wärmeverteilung bei Ein- und Zweirohrheizungen problemlos. Und doch tauchen gelegentlich Probleme mit zu hohen Verbrauchsspreizungen innerhalb eines Gebäudes auf, die schon auf den ersten Blick unwahrscheinlich, manchmal sogar absurd erscheinen. Trotz modernsten und hoch auflösenden elektronischen Heizkostenverteilern kommt es vor, dass in einigen Wohnungen kaum Verbrauchsanzeigen an den Heizkostenverteilern ablesbar sind, wogegen in anderen Wohnungen relativ hohe Verbrauchsanzeigen auftreten. Das Ergebnis sind dann Heizkostenabrechnungen, mit denen etwas nicht zu stimmen scheint. Wie ist das zu erklären und was kann getan werden, um das zu verhindern?
Wärmeverteilung im Gebäude
Heizungswärme aus der Zentralheizung oder der Übergabestation der Fernheizung wird den Heizkörpern eines Gebäudes über Verteilleitungen zugeführt und dort durch Thermostatventile geregelt an die Räume übergeben. Bei Fußbodenheizung funktioniert das im Prinzip genauso, nur mit niedrigeren Temperaturen.
Auf dem Weg zu den Heizkörpern der Wohnungen entstehen unvermeidbare Wärmeverluste, die sich durch Dämmungen der Verteilrohre zwar vermindern, letztlich aber nie verhindern lassen. Dieser Effekt wird bei Einrohrheizungsanlagen noch verstärkt, weil dort das Heizungswasser - auch bei abgestellten Heizkörpern - permanent durch die Verteilleitungen umgewälzt werden muss.
Selbst in modernsten Gebäuden mit neuester Heiz- und Verteiltechnik und bester Isolierung der Verteilrohre kommen durchschnittlich höchsten 80 % der zentral bereitgestellten Heizenergie als mess- und regelbare Wärme an den Heizkörpern der Wohnungen an. Bestenfalls werden nur 20 % der Wärme auf dem Weg vom Heizkeller zu den Heizkörpern über die Verteilrohre an Wände und Böden des Gebäudes abgegeben. In diesem Fall von Wärmeverlusten zu reden hat sich zwar etabliert, ist aber nicht ganz richtig, denn von dieser Grunderwärmung des Gebäudes durch Verteilleitungen profitieren alle Bewohner, allerdings in unterschiedlichem Maß. Diese physikalische Tatsache ist einer der Gründe dafür, dass Heizkosten mit 30-50 % nach Fläche und nicht ausschließlich nach Verbrauch abzurechnen sind.
Bewegt sich die Rohrwärmeabgabe eines Gebäudes im normalen Bereich von 20-40 %, ist eine Heizkostenabrechnung mit angepasstem Verteilerschlüssel unproblematisch, verursachergerecht und zur Einsparung motivierend.
Indizien für eine zu hohe Grunderwärmung
Etwa jede zwanzigste Heizkostenabrechnung zeigt Indizien dafür, dass die Rohrwärmeabgabe des Gebäudes überdurchschnittlich hoch sein muss. Typische Merkmale dafür sind:
Indiz 1: Nach dem Wechsel von Verdunstungsheizkostenverteilern auf elektronische Geräte sind die Verbrauchsspreizungen der Bewohner untereinander extrem geworden. Da gibt es plötzlich einige normal bewohnte Wohnungen mit Nullverbrauch und andere mit einem außergewöhnlich hohen Heizkostenanteil. Die Verbrauchsspreizung ist schlichtweg auf den ersten Blick unplausibel.
Indiz 2: Nach einer Gebäudesanierung ist der Gesamtwärmeverbrauch zwar gesunken, aber nicht im erwarteten Maß. Gleichzeitig ist eine eher unwahrscheinliche Spreizung der Heizungsverbrauchswerte zwischen den Bewohnern zu beobachten. Dass hier etwas nicht stimmt und die Rohrwärmeabgabe ein durchschnittliches Maß überschreitet, lässt sich mit etwas Kenntnis des Gebäudes beim Vermieter, Verwalter oder Hausmeister einfach verifizieren.
Indiz 3: In allen oder einigen Wohnungen ist es auch in der Heizperiode nicht oder kaum nötig, die Heizkörper aufzudrehen, um eine Grunderwärmung zu erreichen.
Indiz 4: Bei horizontalen Einrohrheizungen ist vor allem im Bereich der Wärmeübergabe in die Wohnungen der Fußboden über den Verteilleitungen angenehm warm. Das gleiche gilt für Rohrleitungen bei vertikalen Einrohrheizungen, die offen verlegt die einzelnen Heizkörper mit Wärme versorgen.
Indiz 5: Ein seltenerer aber nicht unwahrscheinlicher Beweis für eine viel zu hohe Grunderwärmung durch Rohrleitungen sind Beschwerden von Bewohnern, dass sie ihre Raumtemperaturen auch im Winter mit geöffneten Fenstern regeln müssen, weil es ihnen sonst zu warm wird.
Empfehlung
Gebäude mit hohem Rohrwärmeanteil sollten mit dem Verteilerschlüssel 50 % Grundkosten zu 50 % Verbrauchskosten abgerechnet werden. Solche Gebäude mit 30 % Grundkosten abzurechnen ist problemverschärfend und fachlicher Unsinn.
Nicht alle dieser Indizien müssen erfüllt sein. Bei besonderer Ausprägung genügen auch einzelne dieser Faktoren, um zu zeigen, dass die Grunderwärmung des Gebäudes prinzipiell zu hoch ist, um mit den vorgesehenen klassischen Verfahren eine gerechte Abrechnung der Heizkosten hinzubekommen. Die Rohrwärmeabgabe ist in solchen Gebäuden oftmals so hoch, dass einige Bewohner ihre Heizkörper kaum noch aufdrehen müssen. Wer jedoch - durch eine für ihn ungünstige Lage der Verteilleitungen - diesen „Vorteil“ nicht hat und Heizwärme abnehmen muss, zahlt möglicherweise exorbitant hohe Heizkosten für eigentlich relativ geringe abgenommene zusätzliche Wärme an seinen Heizkörpern.
Eine zu hohe Wärmeabgabe der Rohrleitungen kann die Verteilgenauigkeit der Heizkostenabrechnung wesentlich beeinflussen, weil die Wärme der Rohrleitungen nicht durch Heizkostenverteiler gemessen wird und demzufolge einem abgenommenen Wärmeverbrauch keine gemessenen Verbrauchseinheiten gegenüberstehen.
Rohrwärmeabgabe dauerhaft senken für eine gerechtere Heizkostenverteilung
Oft genügen schon einfache Maßnahmen, um eine erkannte zu hohe Rohrwärmeabgabe und deren negative Auswirkung auf die Heizkostenabrechnung in den Griff zu bekommen:
Maßnahme 1: Verteilerschlüssel ändern
Eine Heizkostenabrechnung sollte bei geringsten Anzeichen erhöhter Rohrwärmeabgabe prinzipiell mit dem Verteilerschlüssel 50 % Grundkosten zu 50 % Verbrauchskosten erfolgen. Die Annahme von Vermietern und Verwaltern, man müsse seit der letzten Reform der Heizkostenverordnung von 2009 generell mit 30:70 abrechnen, ist ein häufiges Missverständnis. Diese Verpflichtung besteht nur in den seltensten und natürlich vorher zu prüfenden Fällen. Der Verteilerschlüssel 50:50 kann und sollte in Objekten mit einer hohen Rohrwärmeabgabe unbedingt angewendet werden, denn er mindert gegenüber einer Abrechnung mit 30:70 das Problem schon fast um die Hälfte. Die Umstellung des Verteilerschlüssels auf 50:50 aus sachgerechtem Grund, in Bezug auf den § 6 der Heizkostenverordnung, ist den Mietern durch den Vermieter vor Beginn der nächsten Abrechnungsperiode anzukündigen.
Maßnahme 2: Vorlauftemperaturen anpassen
Bei näherer Betrachtung des Problems ist sehr oft festzustellen, dass die Vorlauftemperaturen zu hoch eingestellt sind. Eine ursprünglich optimal eingestellte Heizkurve wurde irgendwann nach oben verändert, ohne dass man sich über die dramatischen Konsequenzen für die verschlechterte Energieeffizienz und die dann zu hohen Wärmeverluste Gedanken gemacht hat. Wer die Verstellung wann gemacht hat, ist meistens nicht mehr herauszufinden. Fachleute stellen die Heizkurve und deren Steilheit so ein, dass die bereitgestellte Wärme stets zur Außentemperatur, zur Tageszeit und zum tatsächlichen Wärmebedarf des Gebäudes und seiner Bewohner passen. Diese Einstellungen zu verändern, weil es einzelnen Bewohnern möglicherweise mal zu kalt war, sollte man unbedingt Spezialisten überlassen. Einfach die Temperaturen an der Heizanlage nach oben zu regeln ist keine gute Idee.
Maßnahme 3: Hydraulischen Abgleich durchführen
In einer fachmännisch eingestellten Heizanlage sorgt der hydraulische Abgleich weitgehend dafür, dass jeder Heizkörper im Gebäude die passende Heizwassermenge bekommt. Wird kein hydraulischer Abgleich vorgenommen, verschieben sich die hydraulischen- und damit die thermischen Verhältnisse in der Anlage. Die pumpennahen Heizkörper werden überversorgt, entfernt liegende dagegen unterversorgt. Ein Neubau wird grundsätzlich hydraulisch abgeglichen. Werden keine Veränderungen an der Heizanlage und deren Regelung und keine energetischen Modernisierungen durch Wärmedämmung und Fensteraustausch vorgenommen, stimmt die Einstellung wahrscheinlich auf lange Sicht. Erfolgen aber solche Maßnahmen, ist auch der hydraulische Abgleich im Gebäude neu vorzunehmen. Macht man das nicht, besteht die Gefahr, dass die gut gemeinten Energiesparmaßnahmen zumindest zum Teil verpuffen, weil das Potenzial zur Temperatursenkung nicht ausgeschöpft wird. Neben zu hohem Energieverbrauch hat man dann auch noch das Abrechnungsproblem wegen zu hoher Vorlauftemperaturen. Ein erneuter hydraulischer Abgleich ist zugegebenermaßen nicht ganz billig. Die damit zu erreichenden Einspareffekte sind aber vor allem nach Modernisierungen in der Regel beachtenswert. Eine fachmännische Beratung sollte man sich in jedem Fall holen. Mit einem fachgerechten hydraulischen Abgleich kann dann anschließend die Heizungsanlage im Bereich der Heizkurve und der Pumpensteuerung auf ein Minimum reduziert werden was im Nachgang zu einer Energieeinsparung führt.
Maßnahme 4: Reduzierung des Pumpenvolumenstroms
In Kombination mit den vorangegangenen Maßnahmen ist bei älteren Anlagen oftmals auch ein zu hoher Pumpenvolumenstrom für Fehlfunktionen verantwortlich. Im Extremfall können sogar geschlossene Thermostatventile aufgrund der ungünstigen hydraulischen Verhältnisse aufgedrückt werden. Pumpen sollten stets dem Leistungsbedarf entsprechend ausgewählt werden. Moderne Pumpen mit variabler Drehzahl ermöglichen eine verbesserte hydraulische Verteilung und können lokale Überheizungen verhindern. Zudem spart der Austausch einer veralteten, ungeregelten Pumpe einiges an Stromkosten.
Keine Lösung ist es übrigens, hochpräzise elektronische Heizkostenverteiler wieder gegen die früher eingesetzten Verdunstergeräte auszutauschen. Die elektronischen Messgeräte offenbaren das Problem zu hoher Rohrwärmeabgaben in Gebäuden, sie verursachen es aber nicht. Das wird gerne fehlinterpretiert und als schnelle Lösung - selbst von scheinbaren Spezialisten – der Verdunster in die Diskussion gebracht. Zudem sind nach den Vorgaben der aktuellsten Heizkostenverordnung spätestens zum 1. Januar 2027 keine manuellen Ablesungen mehr zulässig. Bereits seit Anfang 2022 müssen alle neu installierten Heizkostenverteiler fernablesbar sein. Der weitere Einsatz von Heizkostenverteilern nach dem Verdunstungsprinzip verbietet sich also auch aufgrund dieser Entwicklung.
Bei offen verlegten Rohrleitungen in Wohnungen ist es auch keine Lösung, diese nachträglich zu isolieren. Es gibt keine „schönen“ Isolierungen, die in Wohnräumen ansehnlich wären und man kann zudem keine Isolierung manipulationssicher anbringen. Es wäre also damit zu rechnen, dass einzelne Bewohner die Wärmedämmung an den Rohren entfernen, um wieder in den Genuss der „Umsonst-Wärme“ zu kommen.
Erkennung einer zu hohen Grunderwärmung nach VDI 2077
Messdienstleister kennen das Problem zu hoher Rohrwärmeabgaben und haben in der Regel ein Vorwarnsystem in Ihre Abrechnungsprogramme eingebaut. Selbst ohne genau örtliche Kenntnis der Heizanlage und der Verteilung ist es damit treffsicher möglich, Heizanlagen zu erkennen, bei denen eine Abrechnung auf normalem Weg zu fachlich nicht vertretbaren Ergebnissen führen würde.
Basis der Erkennung ist das Blatt 3.5 der Richtlinie VDI 2077 - „Verfahren zur Berücksichtigung der Rohrwärmeabgabe“. Die VDI 2077 definiert dabei folgende Kenngrößen, welche zur Beurteilung einer möglicherweise zu hohen Rohrwärmeabgabe heranzuziehen sind:
Verbrauchswärmeanteil [rw] ≤ 0,34: Der Verbrauchswärmeanteil ist ein Maß dafür, wie viel der bezogenen Heizwärme über die Heizkörper abgegeben und gemessen wurden. Der Grenzwert liegt bei 0,34 gemessenen Verbrauchseinheiten pro Kilowattstunde eingesetzter Heizwärme. Die insgesamt gemessenen Verbrauchseinheiten des Gebäudes an elektronischen Heizkostenverteilern werden dazu näherungsweise über die Basisempfindlichkeit in Kilowattstunden umgerechnet, zudem sind die Nutzungsgrade der jeweiligen Wärmeerzeugung zu berücksichtigen. 0,34 bedeutet, dass mindestens 34 % der eingesetzten Heizenergie als messbare Wärme an den Heizkörpern angekommen sein müssen.
Max. theoretischer Mehrbelastungsgrad [MT]: Die Mehrbelastung eines Nutzers in einer Abrechnung ohne Korrekturverfahren im Vergleich zu einer Abrechnung mit Korrektur der Rohrwärmeabgaben ist zusammen mit dem Verbrauchswärmeanteil [rw] auszuwerten.
Standardabweichung [SV] der flächenbezogenen Verbrauchswerte ≥ 0,85: Die Abweichungen, auch Streuungen genannt, der Heizkosten zwischen den Bewohnern eines Gebäudes bewegt sich typischerweise in einem überschaubaren Rahmen um den Mittelwert. Wenn jedoch extreme Unterschiede in der Verbrauchsverteilung von Viel- und Wenig-Verbrauchern vom Durchschnitt vorhanden sind, ist dies ein Anzeichen dafür, dass die Rohrwärmeabgabe eine gewichtige Rolle spielen muss. Zu viele scheinbare Wenigverbraucher stehen zu vielen angeblichen Vielverbrauchern gegenüber.
Maximaler normierter Verbrauchswert [νmax]: Der höchste normierte Verbrauchswert im Gebäude
Median der normierten Verbrauchswerte [νmed]: Der normierte Verbrauchswert sämtlicher normierter Verbrauchswerte im Gebäude, welcher in einer nach Größe geordneten Auflistung an mittlerer Stelle steht.
Zusammenfassung: Wann ist die Korrektur einer Abrechnung empfohlen?
Auswertung A: Der Verbrauchswärmeanteil liegt bei 34 % oder niedriger und der max. theoretische Mehrbelastungsgrad liegt bei 10 % oder darüber und die Standardabweichung liegt bei 85% oder darüber
Auswertung B: Der Verbrauchswärmeanteil liegt bei 34 % oder niedriger und der max. theoretische Mehrbelastungsgrad liegt bei 10 % oder darüber. Die Standardabweichung liegt unter 85 % aber der maximale normierte Verbrauchswert liegt bei 3 oder höher und der Median der normierten Verbrauchswerte ist 0,9 oder niedriger.
Lassen die vorigen fünf Indizien und die Ergebnisse der umfangreichen Auswertung erkennen, dass der technische Umstand einer zu hohen Rohrwärmeabgabe für die unplausible Verbrauchsverteilung in der Heizkostenabrechnung verantwortlich ist, wird der Messdienstleister im Dialog mit dem Verwalter oder Vermieter eine alternative Methode für die Abrechnungserstellung erörtern und festgelegen.
Abrechnung mit Korrekturverfahren nur bei freiliegenden Rohrleitungen
Die Situation überwiegend ungedämmter, freiliegender Leitungen der Wärmeverteilung ist in § 7, Absatz 1 der Heizkostenverordnung explizit beschrieben: Kann ein wesentlicher Anteil des Wärmeverbrauchs nicht erfasst werden, kann dieser nach den anerkannten Regeln der Technik bestimmt werden. Die Definition dafür befindet sich in der VDI 2077 Blatt 3.5.
Die Verwendung von „kann“ zeigt, dass die Korrekturberechnung für die Rohrwärmeabgabe nach VDI 2077 freiwillig vom Gebäudeeigentümer entschieden werden kann. Um eine plausible Abrechnung mit verbesserter Verteilgerechtigkeit und weniger Reklamationen zu erreichen, sollte man sich spätestens dann, wenn die vorgegebenen Kriterien erfüllt sind, für die Anwendung der VDI 2077 entscheiden. Die VDI 2077 stellt die allgemeinen Regeln der Technik dar und sie bietet daher nicht nur eine technische, sondern im Streitfall auch eine ausreichende rechtliche Sicherheit.
Wichtig
Das Abrechnungsverfahren nach VDI 2077 kann die negativen Auswirkungen der technisch bedingten Verteil- und Messprobleme nur begrenzen, es stellt aber keine dauerhafte Lösung dar!
Bei Anwendung des Korrekturverfahrens nach VDI 2077 wird der Abrechnungsdienstleister in einem rechnerischen Verfahren bestimmen, wie viel Heizwärme die Verteilrohre im Gebäude insgesamt ungemessen abgegeben haben. Der so ermittelte Rohrwärmeanteil wird dann in Verbrauchseinheiten umgerechnet. Jeder Bewohner erhält zu den regulär in seiner Wohnung abgelesenen Verbrauchseinheiten noch einen nach Wohnfläche ermittelten Anteil an der gemeinsamen Rohrwärme hinzugerechnet. Der Verbrauch einer Wohnung setzt sich dann aus dem gemessenen Verbrauch plus des Zuschlags für die bezogene Rohrwärme zusammen.
Die Heizkostenverteilung wird durch die Berücksichtigung der Rohrwärmeabgabe für alle Nutzer gerechter. Spitzen werden gekappt und scheinbare Nullverbraucher bekommen wenigstens ihren Rohrwärmeanteil abgerechnet. Nach der erstmaligen Anwendung des Korrekturverfahrens wird dieses so lange fortgesetzt, bis die technisch bedingten Verteilprobleme im Gebäude gelöst sind.
Abrechnung bei nicht freiliegenden Rohrleitungen
Alle Indizien zur Erkennung und alle Maßnahmen zur Vermeidung von zu hohen Rohrwärmeanteilen sind, rein technisch gesehen, bei nicht freiliegenden Verteilleitungen identisch mit denen bei freiliegenden Leitungen. Die rechtliche Situation ist jedoch eine andere.
Kurz und knapp
Der BGH beschränkte mit Urteil vom 15.3.2017 (Az. VIII ZR 5/16) die Anwendung des Korrekturverfahrens nach VDI 2077 auf Heizanlagen mit überwiegend ungedämmten offenliegenden Verteilleitungen.
Die Heizkostenverordnung lässt ihrem Wortlaut nach die Anwendung von Berechnungsverfahren nach den anerkannten Regeln der Technik bei freiliegenden Rohrleitungen zu. Bei entsprechender Auslegung darf das VDI 2077-Verfahren im Umkehrschluss bei nicht freiliegenden Rohrleitungen nicht angewendet werden. Auch wenn es sich über Jahre hinweg bewährt hatte, das Verfahren auch bei nicht freiliegenden Verteilleitungen anzuwenden, hat der Bundesgerichtshof das in seinem Urteil vom 15.3.2017 (Az. VIII ZR 5/16) anders entschieden. Der BGH verneint die Anwendbarkeit des VDI-Korrekturverfahrens bei erhöhter Rohrwärme, wenn die Verteilrohre unter Putz oder im Estrich verlegt sind. Diese Krux wurde leider auch nicht in der 2021er-Neufassung der Heizkostenverordnung gelöst, obwohl alle Spezialisten für eine gleichberechtigte Aufnahme auch nicht freiliegender Rohrleitungen in das Berechnungsverfahren nach VDI 2077 plädierten.
Für eine rechtssichere Abrechnung bleibt derzeit, bei festgestellter zu hoher Rohrwärmeabgabe durch nicht freiliegende Leitungen, nur die enge fachliche Abstimmung mit dem Abrechnungsdienstleister. Eine Alternative zur Abrechnung nach Verbrauch wäre beispielsweise eine pauschale Abrechnung.
Jährliche Prüfung
Ein Abrechnungsverfahren nach VDI 2077 Blatt 3.5 kann die negativen Auswirkungen der technisch bedingten Verteil- und Messprobleme nur begrenzen, sollte aber keine dauerhafte Lösung darstellen. Die VDI 2077 beschreibt daher auch als vorrangiges Ziel, den Betrieb von Heizungsanlagen so einzustellen, dass die Rohrwärme einen möglichst geringen Teil der Gesamtwärmeabgabe darstellt. Es ist also nicht damit getan, für ein akutes Abrechnungsproblem eine einfach erscheinende Lösung zu finden, sondern zu hohe Rohrwärmeabgaben sind dauerhaft zu vermeiden. Dazu sind die oben beschriebenen Maßnahmen zur Optimierung des Heizungsanlagenbetriebes durch den Gebäudeeigentümer umzusetzen.
Bezugsquelle für die VDI 2077
Die VDI-Veröffentlichung ist urheberrechtlich geschützt und darf deshalb lediglich zitiert, nicht aber vollständig wiedergegeben werden. Der Volltext ist im Buchhandel erhältlich, aber auch direkt beim Beuth Verlag GmbH in 10772 Berlin zu bestellen – auch im Internet unter www.beuth.de
Ob sich die Situation der Heizanlage verbesserte, wird von führenden Abrechnungsdienstleistern jährlich anhand der beschriebenen Kriterien neu geprüft. Kann der Rohrwärmeanteil wieder auf ein vertretbares Maß gesenkt werden, ist eine reguläre Abrechnung ohne Korrekturverfahren oder Pauschalverteilungen möglich.
Eine zu hohe Rohrwärmeabgabe vermindert die Energieeffizienz der Heizanlage und sorgt zugleich für Probleme bei der Heizkostenverteilung. Die Rohrleitungsverluste mit fachlicher Beratung zu mindern, muss deshalb in erster Linie ein wirtschaftliches und umweltschonendes Ziel für alle Wohnungseigentümergemeinschaften und Mietwohnungsbesitzer sein. Dass damit auch wieder eine gerechte Abrechnung nach Verbrauch möglich wird, ist ein positiver Nebeneffekt.
Quelle: www.minol.de/rohrwaerme.html - Stand vom: 12.12.2024