Stock 4 You - stock.adobe.comVerbesserung der Heizkostenabrechnung in Gebäuden mit hohem Rohrwärmeanteildurch das Korrekturverfahren nach VDI 2077 Blatt 3.5
In Heizanlagen mit hoher Wärmeabgabe über Verteilleitungen führt die sogenannte Grunderwärmung oft dazu, dass viele Bewohner ihre Heizkörper kaum oder gar nicht aufdrehen müssen. Diese Situation ist messtechnisch schwer erfassbar, erfordert aber spezielle Lösungen zur fairen Heizkostenabrechnung..
Hohe Verbrauchsspreizungen trotz moderner Heizkostenverteiler
Die verbrauchsabhängige Heizkostenabrechnung funktioniert grundsätzlich auch bei Ein- und Zweirohrsystemen zuverlässig. Dennoch treten gelegentlich auffällige Verbrauchsspreizungen auf: Einige Wohnungen weisen nahezu keinen Verbrauch auf, während andere überdurchschnittlich hohe Werte zeigen. Diese Abweichungen erscheinen oft unplausibel und führen zu unzufriedenen Mietern.
Wärmeverteilung im Gebäude und Rohrwärmeanteil
Die Heizwärme wird zentral erzeugt und über Verteilleitungen an die Heizkörper verteilt, wo sie über Thermostatventile geregelt wird. Trotz Dämmung entstehen auf dem Weg Wärmeverluste, insbesondere bei Einrohrheizungen, da das Wasser auch bei abgeschalteten Heizkörpern zirkuliert.
Schematisch wirken die Rohrleitungen dabei wie zusätzliche Heizkörper, die das Gebäude und die Wohnungen unkontrolliert erwärmen – die sogenannte Grunderwärmung. Dieser Effekt führt dazu, dass oft nur etwa 80 % der Wärme tatsächlich an den Heizkörpern ankommt, während bis zu 20 % als Rohrwärme an Wände und Böden abgegeben werden. Dieser physikalische Umstand ist einer der Gründe, warum Heizkosten oft zu 30–50 % nach Wohnfläche und nicht ausschließlich nach Verbrauch abgerechnet werden.


Typische Indikatoren hoher Rohrwärme
Typische Anzeichen für eine überdurchschnittliche Rohrwärmeabgabe sind:
- Extrem hohe Verbrauchsspreizungen nach Umstellung auf elektronische Heizkostenverteiler (z. B. einige Wohnungen mit Nullverbrauch, andere mit sehr hohen Verbrauchswerten)
- Unverhältnismäßig geringer Rückgang des Gesamtwärmeverbrauchs nach Gebäudesanierung bei weiterhin großer Spreizung zwischen Wohnungen
- Heizkörper müssen in manchen Wohnungen kaum aufgedreht werden trotz Heizperiode
- Wärmegefühl am Fußboden über Verteilleitungen bei Einrohrheizungen
- Beschwerden von Bewohnern, die wegen zu hoher Grundwärme Fenster öffnen müssen, um Temperatur zu regulieren
Empfehlungen für eine gerechtere Heizkostenabrechnung
1. Verteilerschlüssel anpassen
Bei Gebäuden mit hohem Rohrwärmeanteil empfiehlt sich ein Verteilerschlüssel von 50 % Grundkosten und 50 % Verbrauchskosten. Die oft angenommene Regelung von 30:70 ist hier fachlich nicht sinnvoll und verschärft die Probleme.
2. Vorlauftemperaturen senken
Zu hohe Vorlauftemperaturen erhöhen die Rohrwärmeverluste unnötig. Die Heizkurve sollte von Experten so eingestellt werden, dass sie zum tatsächlichen Wärmebedarf passt.
3. Hydraulischen Abgleich durchführen
Ein hydraulischer Abgleich sorgt für optimale Verteilung der Heizwassermenge. Ohne Abgleich werden einige Heizkörper über- und andere unterversorgt, was Energieverschwendung und Abrechnungsprobleme begünstigt.
4. Pumpenvolumenstrom reduzieren
Zu hohe Pumpenleistungen verursachen Fehlfunktionen, etwa das Aufdrücken geschlossener Thermostatventile. Moderne, geregelte Pumpen verbessern die hydraulische Verteilung und sparen Strom.
Keine Rückkehr zu Verdunstungsgeräten
Das Ersetzen moderner elektronischer Heizkostenverteiler durch veraltete Verdunstungsgeräte ist keine Lösung. Elektronische Geräte decken das Problem der Rohrwärmeabgabe nur auf, verursachen es aber nicht. Zudem sind manuelle Ablesungen ab 2027 nicht mehr zulässig.

Korrekturverfahren nach VDI 2077 Blatt 3.5
Das Korrekturverfahren nach VDI 2077 ermöglicht eine gerechtere Heizkostenverteilung, indem die ungemessene Rohrwärme anteilig den Wohnungen zugeordnet wird. Dieses Verfahren ist besonders bei freiliegenden, ungedämmten Rohrleitungen anwendbar und berücksichtigt:
- Verbrauchswärmeanteil
- Standardabweichung der Verbrauchswerte
- Maximalen normierten Verbrauch
Ist eine zu hohe Rohrwärmeabgabe nachgewiesen, wird die Abrechnung angepasst, um falsche Spitzen und Nullverbräuche zu korrigieren.
Rechtliche Rahmenbedingungen
Laut BGH-Urteil (Az. VIII ZR 5/16 vom 15.3.2017) ist das VDI 2077 Korrekturverfahren nur bei freiliegenden Verteilleitungen rechtlich anwendbar. Bei nicht freiliegenden Leitungen (z. B. unter Putz oder Estrich) ist die Anwendung ausgeschlossen, weshalb hier andere Abrechnungsmodelle wie Pauschalen diskutiert werden sollten.
Langfristige Maßnahmen und jährliche Prüfung
Das Korrekturverfahren ist eine Zwischenlösung. Ziel muss es sein, den Rohrwärmeanteil dauerhaft durch technische Optimierungen (Temperaturen, Abgleich, Pumpen) zu reduzieren. Die Situation sollte jährlich überprüft und die Abrechnung entsprechend angepasst werden.
Fazit: Heizkostenabrechnung in Gebäuden mit hohem Rohrwärmeanteil
Eine zu hohe Rohrwärmeabgabe mindert die Energieeffizienz und erschwert die Heizkostenabrechnung. Mit gezielten Maßnahmen und dem Korrekturverfahren nach VDI 2077 können Wohnungsbesitzer und Eigentümergemeinschaften Kosten sparen, Energie einsparen und eine gerechtere Verteilung der Heizkosten sicherstellen.
Bezugsquelle VDI 2077:
Die vollständige Richtlinie ist urheberrechtlich geschützt und kann beim Beuth Verlag unter www.beuth.de erworben werden.
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